ORBI

Zum Jahresanfang hat Marco Schuler auf dem Gipfel des Belchen im Schwarzwald (1414 m ü.M.) eine monumentale Skulptur mit dem Titel "ORBI" (aus-)gesetzt. Der Berg dient seiner Arbeit dabei als Sockel und ist zugleich Bestandteil der Skulptur.

Seit Jahrtausenden zieht es die Menschen auf den von Gletschern, Wind und Wetter rund geschliffenen Gipfel. Früher wurde er als Kultstätte genutzt, war Orientierungspunkt und vorzeitliche Sternwarte und gilt seit Generationen als Sehnsuchtsort, der aufgrund seiner besonderen erdgeschichtlichen und geologischen Bedingungen zum Referenzpunkt für unterschiedlichste Diskurse und Praktiken wurde: Archäologie, Magie, Esoterik, Sport, Religion, aber auch Tourismus, Naturschutz oder der Frage, wem eigentlich die Landschaft gehört.

Das Gipfelkreuz auf dem höchsten Punkt des Belchen repräsentiert diese Sehnsucht - andererseits aber wurde sie durch das Kreuz zugleich christianisiert. Das Geheimnis, das der unwirtliche Gipfel als radikal offener Raum birgt, ist dadurch kanalisiert. Mit seiner Skulptur "ORBI" öffnet Marco Schuler den derart vordefinierten Raum des Geheimnisses nun wieder für andere Konnotationen, in dem er ihn samt Gipfelkreuz mit einer kubischen Großform umschließt, für die er als Material ausgerechnet das Holz von Bänken verwendet, auf denen Pilger im vergangenen Jahr während des Papstbesuchs in Freiburg feierten und beteten.

Während die gut 5 Meter hohe Skulptur mit einem Grundriss von 2,5 mal 2,5 Metern nach innen eine nicht betretbare, unsichtbare Zone definiert, zeigt sie sich nach außen von enormer Präsenz. Entscheidend für den eigentümlichen Gestaltcharakter, die dem Objekt etwas Lebendig-Menschliches verleiht, sind die runden Lochungen auf jeder Seite. In ihrer Platzierung und Dopplung wirken sie wie Augenpaare. Sie geben der Skulptur ein beinahe kindliches, freundliches, wachsames Gesicht, das die Landschaft - und die Menschen in ihr - in den Blick zu nehmen scheint, in seiner Maskenhaftigkeit aber auf mysteriöse und stumme Weise unnahbar bleibt. Die Gestalt ist hier ganz Blick.

In Schulers Werk, das seit seinen frühen Video-Performances Anfang der 2000er Jahre um das formbildende, künstlerische Potenzial der körperlichen Verausgabung und des kalkulierten Kontrollverlusts kreist, markiert "ORBI" einen vorläufigen Höhepunkt. Die Herausforderung, welche die Installation dieser monumentalen Skulptur in der unwegsamen Gipfelregion des Belchen bedeutet, erinnert nicht zufällig an Werner Herzogs legendären Film "Fitzcarraldo". Anders als Klaus Kinski scheitert Schuler jedoch nicht mit seinem Versuch, das Unmögliche möglich zu machen. Im Gegenteil: Sein Vorhaben löste in den angrenzenden Gemeinden eine regelrechte Euphorie der Kooperation aus: Zimmerleute, Schreiner, Bauern, Waldarbeiter - sie alle packten mit an und verwandelten Schulers Skulptur damit ganz nebenbei auch in eine Soziale Plastik. Bis 31. August 2012 wird sie auf dem Belchengipfel über Rheintal und Alpenpanorama wachen.

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